Original-Figuren

Blätz

Der Blätz ist in der Rott der Schwyzer Nüssler die Symbol- und Hauptfigur. Sein Blätzli-Kleid gab ihm den Namen. Ähnlich dem Domino und dem Bajazzomäitli verrät er italienischen Einfluss und geht zweifelsfrei auf die Harlekin-Figur (Arlecchino) in der Commedia dell’arte zurück. Die Urform ist hingegen Jahrhunderte alt, berichtet doch eine Erzählung des 11. Jahrhunderts aus der Normandie vom König «harilo-king des Wilden Heeres», das in der Neujahrsnacht sein Unwesen trieb. Im 14. Jahrhundert tauchen die Harlekinsleute als wüst vermummte und possenhafte Gesellen bei einer Katzenmusik anlässlich einer missliebigen Hochzeit auf. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts eroberte der Harlekin über die italienischen Komödien als Tänzer und Possenreisser die ganze Welt. Italien kennt Arlecchino und seine Frau Arlecchina heute noch als Narrenfiguren.

Nach den Forschungen von Werner Röllin ist nicht auszuschliessen, dass bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts der Harlekin als Possenreisser in den Lustspielen, wie sie im Lande Schwyz im Stile der italienischen Stegreifkomödie aufgeführt wurden, vertreten war. Erstmals nachweisbar ist der «Harliging» als Mitspieler im Brunner Bartlispiel von 1784. Die Fürstliche Kanzlei Einsiedeln verbot 1794 das Harliging-Laufen im Klosterdorf, und Harlekins sah man in Schwyz 1865 im Fasnachtsspiel und 1881 in der Strassenfasnacht. Der älteste Blätz mit Holzlarve ist im Turmmuseum Schwyz zu finden. Der Schwyzer Blätz trägt Hose und Rock (Wams), die mit gegen 2500 rautenförmigen oder runden, buntfarbigen Blätzchen (Blätz=Lappen, Fetzen, Flick) aus Filzstoff bedeckt sind. Auch der aus Bast geflochtene, breitkrempige «Schiinhuet» ist gleicherweise überzogen; am Rand hängen weisse Wollkugeln. Als Maske trägt der Blätz heute eine fleischfarbene Bergamaskerlarve aus Wachs oder (seltener) aus Holz und über den Schultern ein weisses Rechtecktuch. Von der rechten Schulter her und unter dem linken Arm durch hat er einen mit Kreuz-Schellen besetzten Gürtel, auch Schellengeröll oder Geröll-Gurt genannt, umgehängt. Der Tannreisbesen in der Hand des Blätz ist immer in Bewegung; auch er selbst tänzelt, hüpft und springt stets – dem Arlecchino gleich – und bringt damit den Rollengurt zum Rasseln. Früher wurde des öftern am Besenstil ein Brot (Weggen) aufgespiesst, was in der Volkstradition als Fruchtbarkeitssymbol gedeutet wurde. Auch den Tannreisbesen verglich man einst mit dem fruchtverheissenden Tännchen eines «Wilden Mannes». Ist der flink tänzelnde Schwyzer Blätz letztlich eben doch ein «Kind» des Nordens (Wildmann) und Südens (Arlecchino), wie ihn Paul Kamer 1970 in seinem Japanesenspiel «Dr Blätz» charakterisierte?

Hudi

Als «Hudi» bezeichnen die Schwyzer eine alte, redselige und nicht unbedingt sympathische Weibsperson, kurzum ein «Rätschwiib»! Nur ist das heute als Fasnachtsgestalt buntgekleidete Hudi kaum identisch mit den «alten Weibern» von anno dazumal – mindestens vom äusseren Erscheinungsbild her nicht. In der Rott gilt es als kontaktfreudiger und redsamer Maskerad, der oft auch halbwild tänzelnd und springend in Bewegung ist.

Das Hudi trägt einen farbenfroh leuchtenden Reifrock, wobei der Phantasie bei der Wahl der Farben und Blumenmuster grosser Spielraum gegeben ist. Eigentlich ist es eher ein vom Hals bis unter die Knie reichendes Kleid, das sich ab der Hüfte glockenartig weitet: die einstige Rokokotracht (Krinoline) mit einem leichten, freihängenden Untergestell. Nacken- und Halspartie deckt ein weisses Kopftuch, die Schultern ebenfalls ein weisses Tuch, jedoch mit Stickereien und Spitzen. Weiss sind auch die Stulpen am Unterschenkel. Die Kopfbedeckung ist ein Strohhut im Biedermeierstil in den Farben des Kleiderstoffes, jedoch charakteristisch erhöht durch ein «Güpfi» (halbkugelförmige Erhöhung) und einen breiten Rand, dazu verziert mit Strohblumen, Bändern und Federn.

Die im Grundton gelbe Larve ist mit zahlreichen Erhöhungen und Vertiefungen äusserst markant gestaltet: hervortretende Augen und Wangenstelle und spitze Nase, vorstehendes Kinn mit Warzen, zwei breite weisse Zähne zwischen roten Lippen. Typisch für das Hudi sind aber auch der farbige Damenschirm, den es bei jeder Witterung aufgespannt in der Hand trägt. Am Arm hat es einen Henkelkorb umgehängt, worin rund fünf Kilogramm Orangen Platz haben, dies im Gegensatz zu allen andern Originalmasken, die ihre Orangen in einem weissen Stoffsack verstauen. Überraschen mag vor allem Auswärtige, dass oft zwischen beiden Larvenzähnen eine brennende Brissago steckt – ein altes Weib, das raucht!

Domino

In der Schwyzer Fasnacht gilt das Domino als wild-wirblig, aber auch als der typische Intrigant und verschlagene «Schleicher». Mit dem Holz-«Tätscher», der bis zum Handgriff drei- bis vierfach eingesägt ist, schlägt es sich selber geräuschvoll auf die Schulter oder auf die Hand, versetzt aber nicht selten auch einem Zuschauer einen Schlag. Das Domino trägt ein bis unter die Knie zu den weissen Stulpen reichendes, einfarbiges Samtkleid in Rot, Blau, Grün oder Schwarz, verziert mit grossen farbigen Blättern und eingefasst mit Gold- oder Silberlahn. Die spitze Kapuze mit Schulterkragen ist ausgestopft. In Schwyz gibt es zwei verschiedene Domino-Larven: das freundliche Mädchengesicht mit der schwarzen Nasen-, Augen- und Stirnpartie und die etwas plumpe Lappimaske mit der roten Knollennase. Als Originalmaske gilt das schmale und feine Mädchengesicht.

Das Domino – in der Standardsprache eigentlich «der» Domino geheissen – stammt, wie der Blätz, aus Italien (Venedig) und ist in Schwyz bereits im 19. Jahrhundert nachweisbar. Nach einem Bericht des «Bote der Urschwelz» vom 3. Februar 1864 «gehen’s in die Maskengarderobe und probiren alte Trachten und Dominos oder neue Kostüme». Die «Schwyzer Zeitung» berichtete schon am 21. und 23. Februar 1852 von der Aufführung des Theaterstücks «Karneval von Venedig von Schulhoff» in Schwyz, wo Maskengestalten südländischen Einschlags auf der Bühne gestanden haben dürften. Ab 1884 werden Dominos in Zeitungsinseraten häufig von Maskengarderoben zur Ausleihe angeboten. «Domino» heisst im Italienischen «Herr» oder «Geistlicher», trugen doch die Kleriker als Regen- und Wintertracht in Italien und Spanien einen Umhang mit der Kapuze, der den ganzen Körper einhüllte. Bei mittelalterlichen Maskenbällen nannte man mantelartige Kostüme mit weiten Ärmeln ebenfalls Domino. Ob Wandertheater, Maskengarderobiers oder gar Reisläufer und Welschlandfahrer (Händler, Sentenbauern) die Domino-Figur nach Schwyz brachten, kann nicht mehr nachgewiesen werden.

Bajazzomäitli

Das Bajazzomäitli trägt gelbe Strumpfhosen und schwarze Damenschuhe oder halbhohe Halbschuhe. Das Samtkleid besteht aus einem schwarzen Oberteil und einem Rock mit zahlreichen schwarzen und gelben, sich überlappenden kleinen Zipflein, deren Ende mit Glöcklein bestückt sind. Während eine weisse Krauselräusche als Halsschmuck dient, hängen auch Glöcklein am gelben Räuschenband beim Handgelenk und an den verlängerten spitzen Dreizipfeln über der Schulterpartie. Insgesamt sind es rund 400 kleine Glocken. Auch der schwarze Napoleonshut ist mit Glöcklein und gelben Kordeln verziert, während gewellte Rosshaare den Haaransatz andeuten. Das Bajazzomäitli trägt eine «Zwiefaltermaske», d. h. eine Larve mit dunkelgelber Grundfarbe, mädchenhaften Gesichtszügen und einer schwarzen Fläche in der Form eines Schmetterlings über Nase, Wangen, Augen und Stirn. In der Hand rotiert es die kleine Holz-Rätsche, in der Umgangssprache auch «Trüller» genannt.

Zigeuner

Der Zigeuner erinnert an das braunhäutige und schwarzhaarige Wandervolk, das in früheren Jahrhunderten auch im Lande Schwyz anzutreffen war. Die Mystifizierung dieser Volksgruppe in Verbindung mit Legenden und fernen Welten führte zu exotischen Nachahmungen in der Fasnachtszeit. Unverkennbar weckt die Figur aber auch Verbindungen zu den einheimischen Fahrenden, der Welt der Fecker.

Das farbenfrohe Kostüm des Zigeuners lässt ein spanisches Vorbild vermuten, die dunkelbraun getönte Larve mit der auffallenden Kriegsbemalung sogar spanisch-mexikanische Ursprünge (Indianer). Dagegen tragen die ungarischen oder slawischen Zigeuner aus dem Balkan vorwiegend dunkle Kleider. Der Schwyzer Zigeuner trägt einen buntfarbenen, gegenseitig abgestimmten Rock und Oberteil, wobei die Farben Schwarz, Grün, Braun und Rot vorherrschen. Ein grosses, einfarbiges und gleichschenkliges Dreieckstuch wird auf der Brustseite mit einer Sicherheitsnadel zusammengehalten, während die Spitze mit den beiden Schenkeln über den Rücken fällt. Das lange Kopf- und Nackentuch gleicht einem Schleier, der auf der Stirnseite verstärkt ist und ein mit Monden und Sternen verziertes Diadem trägt; es ist der traditionelle «Goldschmuck» der Zigeuner.

Die im Grundton rotbraune Larve weist strenge, aber dennoch zufriedene und ruhige Züge auf. Ausdrucksstark sind vor allem die Bogennase, die gelb-schwarzen Linien auf Wangen und Stirne, die weiss-rot-schwarz gestalteten Augen, die eckigen Backen und breiten Nasenflügel sowie die roten Lippen. Der Zigeuner verhält sich in der Rott sehr lebendig, oft etwas rauh. Sein wildes Herumspringen unterstützt er unüberhörbar mit dem Schellenkranz in der Hand, dessen Metallplättchen einen hellen, gläsernen Ton erzeugen.

Alter Herr

Die älteste Fasnachtsfigur von Schwyz ist der «Alte Herr»; er ist erstmals, wie bereits kurz erwähnt, 1829 als der «alte Mann» in einem Fasnachtsaufzug und Fasnachtsspiel in Schwyz nachgewiesen. Ferner trat er 1865 im Japanesenspiel «Zürcher und Urner Fasnachtsfahrt nach Schwyz, anno 1486» auf. Das Kostüm wurde in den Jahren 1881/82 von Eduard Spillmann unter dem Namen «alte Herren» auch über Zeitungsinserate vermietet.

Die Schwyzer sehen im Alten Herrn einen (ausgedienten) Aristokraten, der sich in der Rott – im Gegensatz zum Blätz – gemächlich hinkend bewegt, jedoch in aufrechtem Gang und mit hohlem Kreuz auf den knorrigen Naturholzstock abstützt. Seinem Jahrgang und seiner vornehmen Herkunft gemäss spricht er bedächtig und kehrt gerne die Weisheit des Alters hervor. Seine Gemächlichkeit verschwindet, wenn er den Stock unter den Arm klemmt und zu nüsslen beginnt. Bei ihm sind übrigens die Fuss- und Beinbewegungen besonders gut sichtbar.

Möglicherweise lernten die in fremden Kriegsdiensten stehenden Schwyzer die noble Bekleidung in Frankreich kennen und bildeten sie, wenn auch in veränderter Form, nach: Weisse Strümpfe und Kniehosen in feinem Samt, schwarze Schuhe mit halbhohen Schäften, buntes Gilet mit weissem «Schabot» (Brustrüsche), farbiger Junkerrock mit übergrossen Brokat-Zierknöpfen, weisse Rokoko-Perücke. Mit vorgetäuschtem «Mozartzopf» und federnverzierter Dreispitz. Die im Grundton bräunlich-gelbe Larve hat einen eher strengen Ausdruck: ausgeprägte Mund- und Augenpartien, spitze Nase, markanter Schnauzbart und Altersfalten.

Bajazzobueb

Ebenfalls italienischen Ursprungs ist der Bajazzo oder «Bajass», der Spassmacher mit dem typischen sackförmigen Kleid und dem Spitzhut. Es gab ihn früher auch in Schwyz, er ist heute aber Hauptfigur in der Muotathaler Fasnachtsrott. Eine Nachahmung der Figur ist im «Bajazzobueb» zu finden, der u. a. eine dem Eulenspiegel ähnliche, halbmondförmige Kopfbedeckung trägt. Der Bajazzobueb ist in der Schwyzer Rott nur noch vereinzelt vertreten. Er wurde vom «Bajazzomäitli», das vermutlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Ergänzung zum männlichen Spassmacher geschaffen worden war, abgelöst. An Fakten und Daten ist über diese quirlige Figur mit welschen Elementen jedoch nichts fassbar.

Junger Herr

Bauer

Viehhändler

Zuckerbeck

Metzger

Altes Weib

Tiroler

Teufel